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Kirschblüte. Bild: Gregor Max Höblich, Zweckverband Welterbe Oberes Mittelrheintal

Mittelrheintal: Auf der Suche nach alten Kirschsorten fündig geworden

7 Minuten Lesezeit

Rot leuchten die Perlen des Mittelrheins in den alten Kirschbäumen. Doch kaum einer weiß noch, dass hier an den steilen Hängen einst fast hundert verschiedene Süßkirschsorten wuchsen. Das Mittelrheintal war einst eine große Kirschanbauregion. Die Kirschen wurden per Schiff und Bahn in die Ballungszentren und ins Ausland gebracht. Gerade für die frühen Sorten, die wegen des milden Klimas hier gut gedeihen, war die Region bekannt.

Das UNESCO-Welterbe Oberes Mittelrheintal blickt auf eine lange Kirschentradition zurück. Die erste Erwähnung findet die Mittelrhein-Kirsche in den Schriften von Plinius um 60 n.Chr. Das Erbe der letzten 2000 Jahre ist eine einmalige Vielfalt an Kirschbäumen. Insgesamt gibt es zwischen Bingen und Koblenz über 80 Sorten. Diese Vielfalt soll für künftige Generationen erhalten bleiben.
Bis Mitte des 20. Jahrhunderts waren Mittelrhein-Kirschen ein richtiger Exportschlager. Die Kirschregion boomte. Es gab sogar eigene Kirschmärkte. Nahezu jedes Kind konnte damals ein Lied von der arbeitsintensiven Kirschernte singen. Die kleinen, runden Früchte prägten ganze Generationen.

In den alten Sorten steckt eine enorme Aromenvielfalt

Heute werden die Perlen des Mittelrheins wieder entdeckt und liebevoll zubereitet – von den Welterbe-Gastgebern, die hier zu Hause sind. Auf den Tellern und im Glas findet man im Frühsommer viele Köstlichkeiten, die den kleinen roten Früchtchen alle Ehre machen. Sie schmecken paradiesisch, denn in den alten Sorten steckt eine Aromenvielfalt, die die Geschmacksknospen tanzen lässt.

Kirschvielfalt. Bild: Frank Böwingloh, Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum Westerwald Osteifel
Kirschvielfalt. Bild: Frank Böwingloh, Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum Westerwald Osteifel

Im Rahmen der Kirschwochen vom 15. bis 30. Juni darf der Gast selbst R(h)einschmecken. Die Welterbe-Gastgeber wollen in diesen Kirschwochen die rote Besonderheit der Kulturlandschaft ihren Gästen näherbringen, ob im ganzen Menü, Nachtisch, Vorspeise oder Essig. Das ist nicht nur gut für den Gaumen, sondern auch für die Kulturlandschaft. Denn ohne Nachfrage nach den besonderen Kirschen geht die Artenvielfalt und auch das Landschaftsbild, beides ein einzigartiges kulturelles Erbe, verloren. So findet die Kirsche in der heimischen Küche sogar das ganze Jahr hindurch Verwendung, denn die Welterbe-Gastgeber verstehen sich auch darauf, die Schätze des Sommers mit Bedacht zu konservieren.

An die 100 Kirsch-Sorten sind dokumentiert

Seit dem Mittelalter wurde am Mittelrhein Obstbau betrieben. Die frühen Kirschsorten, die hier dank des milden Klimas schnell heran reiften, waren besonders begehrt. Ihre Blütezeit erlebte die Mittelrhein-Kirsche Ende des 19. bis Anfang des 20. Jahrhunderts. Als Nachfolgekultur des durch Krisen geschüttelten Weinbaus sorgte sie für Ruhm und Ehre. An die 100 Sorten sind dokumentiert. Die Palette reicht vom „Langstiel“ übers „Ochsenherz“, von der „Wachskirsche“ bis hin zum „Zeppelin“.


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Noch bis in die sechziger Jahre blühte der Obstanbau am Mittelrhein – jetzt parallel zum Weinbau. Doch dann setzte der Rückgang ein. Zu beschwerlich war es vielen Obstbauern geworden, die alten Bäume zu pflegen. Und auf Grund der preiswerten Konkurrenz aus dem Ausland ließ auch die Nachfrage und das Interesse an den alten Sorten nach.

Heute kümmern sich der Zweckverband Welterbe Oberes Mittelrheintal und das DLR (Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum) Westerwald-Osteifel und mit ihnen die Welterbe-Gastgeber darum, dass ein wertvolles Kulturgut nicht für immer verloren geht.

Passionierte Kirschfreunde und Erzeuger aus der Region haben sich mit dem Zweckverband Welterbe Oberes Mittelrheintal zusammengetan und setzen sich ehrenamtlich dafür ein, die Kirschenvielfalt zu erhalten und die Identifikation mit dem Thema Mittelrhein-Kirschen in der Region zu stärken.

Mittelrhein-Kirschspezialitäten. Bild: Gregor Max Höblich, Zweckverband Welterbe Oberes Mittelrheintal

Durch Baumpflanzungen werden die seltenen traditionellen Kirschsorten im Welterbe gerettet. Über 300 Bäume wurden in den letzten Jahren auf Initiative des Zweckverbands nachgepflanzt. In Kooperation mit dem Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum finden regelmäßig Schnittseminare statt, bei denen interessierte Baumbesitzer alles rund um die Pflege ihrer Kirschbäume erfahren können.

Veranstaltungen wie das Kirschblüten-Picknick oder der „Kirschgenuss-Tag“ in Filsen sowie geführte Wanderungen mit der Verkostung der verschiedenen Kirschsorten machen die Mittelrhein-Kirschen im Welterbe wieder erlebbar.

Mit dem Verkauf hochwertiger Produkte aus Mittelrhein-Kirschen sollen die Früchte zum einen ganzjährig angeboten und zum anderen alte, vom Aussterben bedrohte Sorten geschützt werden – frei nach dem Motto: „Erhalten durch aufessen!“

Mehr zum Projekt Mittelrhein-Kirschen sowie zu den Kirschprodukten der Spezialitätenmarke „Mittelrhein-Kirschen“ und den Verkaufsstellen unter www.mittelrheinkirschen.welterbe-mittelrhein.de/startseite/

Weltererbe-Gastgeber

Mittlerweile sind fast 20 Betriebe auf beiden Rheinseiten zum „Welterbe-Gastgeber“ ernannt worden. Alle ziehen an einem Strang, sind miteinander vernetzt und setzen alles daran, ihren Gästen Tür und Tor für einen Aufenthalt mit echter Erlebnisqualität zu öffnen. Hotels und Pensionen, Anbieter von Ferienwohnungen und Gasthäuser sind mit dabei. Erklärtes Ziel der „Welterbe-Gastgeber“ ist es, ihren Gästen das Mittelrheintal in allen seinen Facetten auf sehr persönliche Art nahe zu bringen. Die Qualitäts-Offensive der „Welterbe-Gastgeber“ ist ein Projekt des Zweckverbandes Welterbe Oberes Mittelrheintal.

Veranstaltungen um die Mittelrhein-Kirschen

Bei den verschiedenen Maßnahmen zum Erhalt der Kirschenvielfalt wird deutlich, dass eine hohe regionale Identität in der Mittelrhein-Kirsche steckt. Auch wenn der Kirschanbau wirtschaftlich derzeit keine bedeutende Rolle spielt, so ist die Kirschentradition von hohem identitätsstiftenden Wert.

Kirschkernweitspucken beim Kirschblütenpicknick in Osterspai. Foto: Gregor Max Höblich, Zweckverband Welterbe Oberes Mittelrheintal

Die Mittelrhein-Kirschen sollen durch Einheimische und Gäste stärker wahrgenommen werden. So wird eine zunehmende sichtbare Präsenz angestrebt, die die Assoziation der Region mit den Mittelrhein-Kirschen verstärkt. Dazu etablierten sich verschiedene Veranstaltungen in den letzten Jahren im Oberen Mittelrheintal:

• So gibt es zur Kirschblüte an wechselnden Standorten im Welterbegebiet das sogenannte „Welterbe-Hanami“. Angelehnt ist dieses Kirschblüten-Picknick an die Tradition der japanischen „Hanamis“, was so viel wie „Blüte betrachten“ bedeutet, bei denen man sich mit Freunden unter den blühenden Kirschbäumen trifft und die Schönheit der Blüten feiert. Austragungsorte waren bislang Boppard im Jahr 2016 und Osterspai im Jahr 2017.

• In Filsen findet seit 2016 der „Kirschgenuss-Tag“ statt, bei dem sich im Ort und den angrenzenden Streuobstwiesen alles um die Mittelrhein-Kirschen dreht.

• In Filsen verläuft auch der Filsener Kirschenpfad, wo übers Kirschjahr verteilt geführte Wanderungen stattfinden, bei denen die verschiedenen Kirschsorten sowie Spezialitäten mit Mittelrhein-Kirschen verkostet werden.

Spezialitätenmarke „Mittelrhein-Kirschen“

Die meisten Kirschen der im Mittelrheintal verbliebenen Obstanbauer werden als Frischware verkauft. Das Zeitfenster der Kirschenernte erstreckt sich von den frühesten bis zu den spätesten Sorten auf wenige Monate. Außerhalb der Saison sind regionale Kirschen aus dem Mittelrheintal kaum präsent. Daher hat der Zweckverband Welterbe Oberes Mittelrheintal gemeinsam mit lokalen Produzenten, Veredlern und Vermarktern die Spezialitätenmarke „Mittelrhein-Kirschen“ entwickelt. Für die Mittelrhein-Kirschprodukte werden ausschließlich Kirschen verwendet, die aus den Kommunen im UNESCO-Welterbe Oberes Mittelrheintal stammen. So kann die Mittelrhein-Kirsche in Form regionaler, hochwertiger Kirschprodukte wieder erlebbar gemacht und außerdem ganzjährig angeboten werden. Außerdem kann den Kirschanbauern ein fairer Preis für ihre Kirschen geboten werden und die Kirschbäume im Mittelrheintal bekommen eine neue Bestimmung.

Ente auf Kirschsauce beim Kirsch-Gipfel Boppard. Foto: Zweckverband Welterbe Oberes Mittelrheintal
Folgende Produkte sind derzeit (Stand 2017) im Angebot:

• Kirsch-Konfitüren in den Sorten Mittelrhein-Morellen, Hedelfinger Riesenkirsche und Perle von Filsen
• Der Rheinbeisser, ein Müsliriegel für Rheinsteig-Wanderer
• Die Praline „Perle von Filsen“ mit der gleichnamigen Kirschsorte
• Schokoladentafeln mit getrockneten Mittelrhein-Kirschen
• Ziegensalami mit Mittelrhein-Kirschen
• Mittelrheinische Kirsch-Leberpaté
• Ziegenkäse mit Mittelrhein-Kirschen
• Kirsch-Senf
• Kirschnektar
• Kirsch Dessert-Wein
• Kirsch-Likör
• Kirsch-Eierlikör
• Kirsch-Brand aus Süß-Kirschen sowie aus der Sorte Geisepitter

Die Kirschprodukte können direkt beim Herstseller und in folgenden Verkaufsstellen erworben werden:

• Metzgerei Martin, Koblenzer Straße 56, 55411 Bingen-Bingerbrück
• Tourist-Information Lorch, Rheinstraße 48, 65391 Lorch
• Dorftreff Wiebelsheim, Weseler Str., 56291 Wiebelsheim
• Vinothek Philipps, An der Loreley 1A, 56329 St. Goar
• Weinlädchen im Hotel zur Loreley, Heerstraße 87, 56329 St. Goar
• Toto-Lotto Regina Engelmann, Heerstr. 93, 56329 St. Goar
• REWE Markt Boppard, Säuerling Str. 20, 56154 Boppard
• Kiosk Hermannspahn, Heerstraße 183, 56154 Boppard
• REWE Markt Lahnstein, Am Rasenpl. 7, 56112 Lahnstein
• REWE Markt Nassau, Emser Str. 37, 56377 Nassau
• Nahkauf St. Sebastian, Kesselheimer Str. 67, 56220 St. Sebastian

Weitere Informationen:

www.welterbe-gastgeber.welterbe-mittelrhein.de/welterbe-gastgeber-mittelrhein/

Titelfoto / Kirschblüte. / Bild: Gregor Max Höblich, Zweckverband Welterbe Oberes Mittelrheintal


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